Sonntag, 22. Juli 2012

wollknäuel-heuhaufen-labyrinth



Donnerstagmorgen, kurz nach neun.
Es ist der 19. Juni 2012, noch zweieinhalb Wochen bis zur Abreise.
Ich sitze am Computer, checke noch kurz meine Mails und bereite mich mental darauf vor, einen weiteren Tag mit der Vorbereitung auf meine Prüfung am Freitag zu verbringen. Bevor ich jedoch mit dem Lernen anfange, recherchiere ich spontan noch einmal die genauen Regularitäten für den Visumsantrag, den ich für die Einreise in die Türkei benötige.
Zehn Minuten später bin ich vollkommen vergraben in die teils widersprüchlichen, teils mehrdeutigen Angaben auf den Internetseiten und ratloser denn je, aber eines steht eindeutig fest: ich habe mich geirrt. Um mein Erasmus-Visum für die Türkei zu bekommen, muss ich nicht wie gedacht den Antrag in die Botschaft schicken und alles weitere vor Ort klären – ganz im Gegenteil: ich muss persönlich in einem türkischen Konsulat in Deutschland auftauchen und dort alle Formalitäten erledigen, um dann alles Weitere vor Ort in der Türkei zu klären.
Und das Schlimmste: dies sollte einen Monat vor der Abreise geschehen.
Panik bricht aus, ich schaue auf der Seite der deutschen Bahn, wann mich der nächste Zug nach Berlin und damit zum nächstgelegenen Konsulat bringen kann. Ich organisiere mir eine Mitfahrgelegenheit, die mich am selben Tag noch von Berlin wieder nach Leipzig bringt. Ich suche hektisch alle im Internet aufgeführten Unterlagen zusammen. Telefoniere mit meiner Mutter, versuche, das Konsulat zu erreichen, verzweifle, reiße mich zusammen, verzweifle erneut und versuche mich zu sammeln.
Eine Stunde später sitze ich im Zug, bereits vormittags erschöpft von dem ganzen Hin und Her und dem organisatorischen Wollknäuel-Heuhaufen-Labyrinth, in dem ich mich da verheddert habe. Glücklicherweise läuft in Berlin alles glatt; ich finde das Generalkonsulat auf Anhieb und komme nach einstündigem Warten an die Reihe. Es fehlen noch ein paar nachzureichende Dokumente, von denen in der Internetauflistung nichts stand, allerdings kann ich die bis zum Termin der Abholung meines Reisepasses inklusive Visum nachreichen. Pünktlich um 15:00 Uhr treffe ich in Berlin-Charlottenburg Fahrer und Mitfahrer meiner Mitfahrgelegenheit und es geht wieder zurück nach Leipzig.
Kurz nach siebzehn Uhr stehe ich wieder am Hauptbahnhof, dem Ausgangspunkt meines spontanen Kurztrips, und rekapituliere: sind es wirklich nur noch zweieinhalb Wochen, bis ich „good old Germany“ hinter mir lasse und mich mitten in diese vage Vorstellung eines Auslandssemesters hineinbegebe?
Nein, denke ich mir heute. Nein, es sind keine zweieinhalb Wochen, keine siebzehn Tage. Es sind genau vierzehn – und der Countdown läuft.