Donnerstagmorgen, kurz nach neun.
Es ist der 19. Juni 2012, noch zweieinhalb Wochen
bis zur Abreise.
Ich sitze am Computer, checke noch kurz meine
Mails und bereite mich mental darauf vor, einen weiteren Tag mit der
Vorbereitung auf meine Prüfung am Freitag zu verbringen. Bevor ich jedoch mit
dem Lernen anfange, recherchiere ich spontan noch einmal die genauen Regularitäten
für den Visumsantrag, den ich für die Einreise in die Türkei benötige.
Zehn Minuten später bin ich vollkommen vergraben
in die teils widersprüchlichen, teils mehrdeutigen Angaben auf den Internetseiten
und ratloser denn je, aber eines steht eindeutig fest: ich habe mich geirrt. Um
mein Erasmus-Visum für die Türkei zu bekommen, muss ich nicht wie gedacht den
Antrag in die Botschaft schicken und alles weitere vor Ort klären – ganz im
Gegenteil: ich muss persönlich in einem türkischen Konsulat in Deutschland
auftauchen und dort alle Formalitäten erledigen, um dann alles Weitere vor Ort in der Türkei zu klären.
Und das Schlimmste: dies sollte einen Monat vor
der Abreise geschehen.
Panik bricht aus, ich schaue auf der Seite der
deutschen Bahn, wann mich der nächste Zug nach Berlin und damit zum
nächstgelegenen Konsulat bringen kann. Ich organisiere mir eine
Mitfahrgelegenheit, die mich am selben Tag noch von Berlin wieder nach Leipzig
bringt. Ich suche hektisch alle im Internet aufgeführten Unterlagen zusammen.
Telefoniere mit meiner Mutter, versuche, das Konsulat zu erreichen, verzweifle,
reiße mich zusammen, verzweifle erneut und versuche mich zu sammeln.
Eine Stunde später sitze ich im Zug, bereits
vormittags erschöpft von dem ganzen Hin und Her und dem organisatorischen
Wollknäuel-Heuhaufen-Labyrinth, in dem ich mich da verheddert habe. Glücklicherweise
läuft in Berlin alles glatt; ich finde das Generalkonsulat auf Anhieb und komme
nach einstündigem Warten an die Reihe. Es fehlen noch ein paar nachzureichende
Dokumente, von denen in der Internetauflistung nichts stand, allerdings kann
ich die bis zum Termin der Abholung meines Reisepasses inklusive Visum
nachreichen. Pünktlich um 15:00 Uhr treffe ich in Berlin-Charlottenburg Fahrer
und Mitfahrer meiner Mitfahrgelegenheit und es geht wieder zurück nach Leipzig.
Kurz nach siebzehn Uhr stehe ich wieder am
Hauptbahnhof, dem Ausgangspunkt meines spontanen Kurztrips, und rekapituliere:
sind es wirklich nur noch zweieinhalb Wochen, bis ich „good old Germany“ hinter
mir lasse und mich mitten in diese vage Vorstellung eines Auslandssemesters hineinbegebe?
Nein, denke ich mir heute. Nein, es sind keine
zweieinhalb Wochen, keine siebzehn Tage. Es sind genau vierzehn – und der
Countdown läuft.