Dienstag, 29. Mai 2012

das wölkchen in istanbul

Nun stellt sich also bei einem so aufmerksamkeitsheischenden Namen für den Weblog die Frage: worum geht es eigentlich? - Was wiederum einen erklärenden und vorstellenden Beitrag naheliegend macht.
Die Antwort ist in der Tat sehr simpel. 
Ich bin Studentin in Leipzig und werde als solche im kommenden Wintersemester sechs Monate lang in Istanbul studieren. Während dieser Zeit werde ich diesen Weblog möglichst aktuell halten - und damit hat es sich auch schon. Das große Mysterium ist geklärt. Die geheimnisvolle Formulierung meines persönlichen Projekts hat sich als gar nicht so geheimnisvoll herausgestellt. Aber so ist das mit der Realität, gewöhnen Sie sich daran. 
Wenn ich davon erzähle, dass ich nach Istanbul gehe, kommt natürlich sehr häufig die Frage: Warum Istanbul? Warum ausgerechnet die Türkei mit ihrem Islam, warum die Türken mit ihrem patriarchalischen Weltbild, warum nicht ein Land wie Spanien oder Schweden? 
Ich möchte an dieser Stelle einmal betonen, dass ein Jeder, der versucht, mit solch abgedroschenen, pauschalisierenden und absolut vorurteilsbelasteten Argumenten zu mir durchzudringen, davon ausgehen kann, dass ich die Unterhaltung nach einem solchen Einwand sofort beende. Ich bin kein Freund von schubladendenkenden Scheuklappenträgern, und im Anbetracht der Tatsache, dass ich mich für meinen Geschmack schon viel zu viel mit solchen Menschen herumschlagen musste, kann man mir sicherlich nicht verübeln, wenn ich weiteren Kontakt möglichst zu meiden versuche. 
Aber um zu der Sache dennoch ein Statement abzugeben, bevor ich wieder auf das Thema zurückkomme: ich habe, und das ist mein voller Ernst, absolut keine Vorstellungen von dem, was mich in der Türkei erwartet. Vielleicht wird es gut, vielleicht nicht, vielleicht wäre es realistisch, das Schlechteste zu erwarten, vielleicht wäre es das nicht. Wer kann das jetzt schon sagen? Also habe ich für mich beschlossen, optimistisch zu sein, weil die Art, wie man eine Sache angeht, schon sehr viel über die Art sagt, wie sie ausgeht. 
So, und nun wieder zum Projekt, vor allem auf terminliche Aspekte: 
vor dem eigentlichen Semester werde ich (hoffentlich) einen Sprachkurs in Antalya oder Kocaeli besuchen, der vier Wochen dauert und Anfang August beginnt. Kocaeli, für diejenigen, die es nicht wissen, ist eine Stadt in der Nähe von Istanbul, Antalya liegt direkt am Mittelmeer. 
Anfang September beginnt dann das Semester an der Yeditepe Universitesi, das ist eine zweisprachige private Hochschule im Istanbuler Stadtteil Ataşehir, für die ich als Erasmus-Stipendiatin ausgewählt wurde. Bisher steht noch nicht fest, ob und wo ich den Platz im Sprachkurs bekomme, ich werde diesbezüglich allerdings hier etwas dazu posten, sollte sich etwas Neues ergeben. Es gibt generell noch viele Dinge, die offen sind: ob und wie viel Auslands-BAFöG ich bekomme, wo ich wohne, was für Kurse ich belege. Das wird sich alles in den nächsten Wochen klären, hoffe ich. 
Hinzu kommt, dass die Wohnung, die ich mir im Augenblick mit einer Freundin teile, aufgelöst wird, und ich nebenbei auch noch das Semester zu schaukeln habe. Alles machbar, natürlich. Ich werde aber dennoch froh sein, wenn sich alle Unklarheiten schlussendlich gelegt haben und ich im Flieger nach Istanbul sitze. Oder wo auch immer ich den Sprachkurs besuchen werde.

zur einleitung

Da habe ich also tatsächlich getan, was dem Klischee zufolge jeder tut, der für eine gewisse Zeit "abroad" geht: ich habe einen Weblog erstellt. Was für ein unerhört massenkonformes Verhalten! Aber nun gut. Es gibt wohl keine bessere Möglichkeit, all die "beloved ones" auf dem neuesten Stand zu halten, wenn man vor lauter Entdeckungsdrang im neuen Land keine Zeit hat, mit jedem Einzelnen in Kontakt zu treten, und zugleich ein gutes Fundament für das Schließen später auftretender Erinnerungslücken zu schaffen. 
Ich war niemals ein großer Freund davon, Weblogs zu lesen, und habe noch niemals einen geschrieben. Das soll keine Warnung vor eventuellen Qualitätsmängeln sein, im Gegenteil: weniger Vorprägung bedeutet in diesem Fall viel eher mehr künstlerische Freiheit.
In diesem Sinne wird es wohl während der nächsten sieben, acht Monate mehr oder minder regelmäßig ein bisschen was von mir zu lesen geben, mal ausführlicher, mal knapper, mal humorvoll anekdotenhaft anmutend und mal ein wenig ernster. 
Ich hoffe, dass Sie, mein lieber Leser, mich auf dieser Reise, die ich in zwei Monaten antreten werde, begleiten, auf dass wir gemeinsam die Welt der Türkei erkunden und die Lebenswelt an der Grenze zwischen Europa und Asien für uns entdecken werden. 

das wölkchen, 29.05.2012