Donnerstag, 25. Oktober 2012

im kreis um marmara



Es gibt so ein paar Dinge, die man eher nur macht, um sagen zu können, man hätte sie gemacht. Nach Troja fahren zum Beispiel, dieser Stadt, die in der griechischen Mythologie und den Erzählungen Homers so bedeutsam ist und eigentlich nur noch aus überwucherten Steinresten besteht. Und die Gallipoli-Peninsula-irgendwas Schlachtfelder aus dem ersten Weltkrieg besuchen, um an Tausenden von Gräbern entlang spazieren zu können, Ruhestätten von zahllosen Soldaten, die in der Gallipoli-Schlacht 1915 gefallen sind, als die Entente-Mächte die Türkei aus dem ersten Weltkrieg befördern wollten und gescheitert sind. 
Solch kulturell interessante und aufschlussreiche Unternehmungen sind der Ausgangspunkt und sicherlich für sich genommen erlebenswert, aber was sie wirklich einzigartig macht, sind all diese kleinen Dinge, die so drumherum passieren, wenn man sich auf der Reise von einem Ziel zum nächsten befindet. 
Die zwei Stunden zum Beispiel, die Lydia und ich am Sonntag verschlafen haben und die uns zwangen, die Fähre um 11 anstatt um 9 zu nehmen. Die nette, gesprächige Touristin aus Lybien, die uns ansprach, als wir auf der Fähre nach Bursa saßen und die viel über Religion und Alltag in ihrem arabischen Herkunftsland erzählt hat, und über den arabischen Frühling. Der Iskender, dessen Preis wir sogar noch runterhandelten, ehe wir feststellten, dass wir uns zufällig in eines der Lokale verirrt hatten, die Bursa für dieses Gericht berühmt machten. Das geradezu epische Unwetter, das wir beobachten konnten, als wir im Bus nach Çanakkale saßen, die Blitze, der Donner, der Regen - und die Tatsache, dass es der Busfahrer trotz einer Sichtweite von ungefähr anderthalb Metern nicht als notwendig erachtet hat, weniger als Höchstgeschwindigkeit zu fahren. Die beiden Australier, die wir im Hostel kennen lernten und mit denen wir am nächsten Tag spontan gemeinsam nach Bursa fahren würden. Heiße Suppe neben dem Clock Tower in Çanakkale unter dem Vordach des Lokals. Regen. Eine kalte Dusche am Morgen, ein mickriges Frühstück. Kuschelnde Katzen. Riesige Käfer, tausende Ameisen (die mich an dich erinnert haben, Laura). Das trojanische Pferd. Mauerreste, türkische Landschaft. Fährenfahrten. Verhandlungen mit türkischen Taxifahrern, gefolgt von einer Hin- und Rückfahrt zu und von den Schlachtfeldern. Die Gruppe türkischer Kinder, die auf den Beginn ihrer Taekwondo-Stunde warteten und von denen wir plötzlich umkreist waren, als wir sie fragten, was sie machten. Die Taekwondo-Stunde, der wir daraufhin beiwohnen konnten und die vielen verstohlenen und bewundernden Blicke, die uns beiden Fremden andauernd zugeworfen wurden. Die ausschließlich türkische Konversation, die wir mit ihnen betrieben haben. Nächtliche Busfahrten nach Istanbul. Das Resümee nach Ankunft in Istanbul, zusammengefasst in Lydias Worten: "The most amazing spontaneous short trip ever!" 
Ich kann nur zustimmen. 






Sonntag, 21. Oktober 2012

tumblr

Mal so ganz nebenbei: ich habe mir in den letzten Tagen einen tumblr für meine fotografischen Erzeugnisse zugelegt. Dort finden sich unter Anderem ein paar sehenswerte (Bescheidenheit siegt, wie immer) Beobachtungen aus der Türkei.

Zu finden hier: 
KLICK HIER, NA MACH SCHON


Mittwoch, 17. Oktober 2012

zwei monate türkei. sie faziziert wieder.

Dieser Post wäre eigentlich am 6. Oktober fällig gewesen. Weiß ja keiner, darum gibt es den heute.
"But I really have to say...as much as I hate parties, this", Frederike macht eine ausladende Geste, die die gesamte Bosporus-Küste und die Brücke darüber mit einschließt, "is amazing." 
Ich lasse meinen Blick über die Küstenlinie wandern, über die vielen bunten Lichter, die die Umrisse der Gebäude schattenhaft nachzeichnen, das Wasser, das von den Beleuchtungen der Stadt angestrahlt wird und geisterhaft schimmert, das farbenfrohe Lichtspiel über der Bosporusbrücke, und nicke in stummer Zustimmung. Die inbrünstige Begeisterung, die in der Stimme der deutschen Erasmus-Studentin mitgeschwungen ist, wirkt infektiös, und mir wird einmal mehr bewusst, wie glücklich ich darüber bin, hier zu sein. Nicht nur hier, auf diesem vollgedrängten Boot voller partywütiger Erasmusstudenten, sondern hier, in Istanbul, hier, in der Türkei. 


Es ist nun heute schon zwei Monate her, dass ich in Berlin meinem Vater zum letzten Mal zuwinkte, ehe er hinter den Absperrungen am Flughafen Schönefeld verschwunden war. Seit ich in den Flieger stieg und zwischen Müdigkeit und Aufregung hin- und hergerissen gar nicht wusste, was ich denken sollte. 
Als ich vor acht Wochen hier ankam, sprach ich kein Wort Türkisch. Inzwischen hat sich das geändert. Die Sprache, die damals noch so fremdartig und abstrus anders erschien, hat einen ganzen Teil ihrer Fremde verloren und ist nun zwar immer noch weit davon entfernt, mir vertraut zu sein, aber ich bin, wie ich immer wieder betone, überlebensfähig. Dass das stimmt, habe ich in zahllosen Situationen bereits für mich selbst und Andere beweisen können. Doch der Weg, der noch vor mir liegt, ist weit - dieser Eintrag soll einen kleinen Einblick in all die Stolperfallen gewähren, die die türkische Sprache so bereithält.

Lektion 1: Bir bira lütfen!
Wenn dem aufmerksamen Beobachter von Erasmus-Studenten eines auffällt, dann, dass ein jeder Neuankömmling ohne Türkischvorkenntnisse innerhalb kürzster Zeit versteht, dass es einfach Dinge gibt, die man in der Landessprache beherrschen sollte. Und so können dann alle nach ein paar Tagen das beinah allabendliche Bier bestellen und sich artig für erbrachte Dienstleistungen bedanken. Das Zählen bis zwanzig ist innerhalb weniger Tage gemeistert. Bei so Manchem stockt es danach, Manche hingegen - so wie ich, wie ich bescheidenerweise sagen muss - beherrschen auch die grossen Zahlen bis in die Tausender innerhalb weniger Tage. Was dann jedoch folgt, ist der Härtetest auf der Strasse und ausserhalb des Klassenraums: Kommunikation mit den Einheimischen. Und da liegt der Haken. Denn die Ortsansässigen Türken haben, so zeıgt sich schnell, ihre Sprache nicht aus dem Lehrbuch erlernt. Und wer da schon als Ausländer nach dem Preis fragen muss, der wird dann auch hemmungslos mit originaltürkischer Aussprache konfrontiert. Dass da die Zahl zweihundert, iki yüz, nicht "iikii jühs", sondern viel eher wie "iküz" ausgesprochen wird, versteht man schnell, und dass "yirmi beş" auf der Strasse viel eher klingt wie "yürmbäsch", das sieht man dann auch relativ schnell ein. Allerdings darf sich ein jeder Leser an dieser Stelle die zahllosen Situationen ausmalen, in denen nicht nur ich, sondern auch viele meiner nichttürkischen Mitmenschen ein überdimensionales Fragezeichen auf dem Kopf hatten. 

Lektion 2: Adın ne?
Die erschreckend wenigen Mit-Erasmusler, die Sprachkurse belegen, werden genau wie ich zunächst mit der stets gleichen Konversation bestraft, die sie lernen müssen, bis sie nachts davon träumen, und die den Einstieg in die deutsche Sprache erleichtern soll. 
"Hallo, wie geht es dir?"
"Mir geht es gut, und dir?"
"Gut, danke. Wie ist dein Name?"
"Klaus. Und deiner?"
"Erika."
"Schön, dich kennen zu lernen."
"Ebenfalls." 
Und wieder: der eifrige Student, der dies schnell meistert, geht auf die türkischen Straßen und redet mit türkischen Menschen in türkischer Sprache - und dann benutzen die andere türkische Wörter als die, die man soeben in mühevoller Kleinarbeit in sein kleines Köpfchen geprügelt hat. Als Engin das erste Mal in Antalya vor mir stand und fragte: "Ismin ne?", habe ich ihn nur angeschaut, als käme er von einem anderen Planeten. Beim dritten Anlauf benutzte er dann ein mir vertrautes Wort (Adın ne?), da hat es schlussendlich Klick gemacht. Mir würden aber auf Anhieb noch fünf weitere Floskeln einfallen, von denen wir eine Version gelernt haben, obwohl andere Versionen mindestens genauso oft verwendet werden. Irritierend!

Lektion 3: Bir şeyler içmek istiyor musun? Oder auch: Brşlrçkormsun?
Da wir ja schon bei türkischer Aussprache waren, hier einmal die claudiophone Umschreibung des in der Überschrift erwähnten Satzes: 
[ BIER scheyLER ietschmek estieyohr muhSUNN? ]
Was die Türken daraus in ihrer alltäglichen Kommunikation machen, hat nicht viel damit gemeinsam. 
[ Brrschhlrrrtschkormsunn? ]
Ich denke, die Schwierigkeit hierbei wird deutlich. Manchmal denke ich, wenn man ordentlich und akzentfrei Türkisch sprechen möchte, muss man einfach lernen, bei hoher Geschwindigkeit effektiv zu nuscheln.

Lektion 4: Did you learn all that in just two months?
Nun ja, offensichtlich, ja. Könnten wir jetzt bitte wieder dazu übergehen, Türkisch zu sprechen, und den Teil mit den Komplimenten überspringen? Abgesehen davon habe ich nicht mehr gesagt als das, was ich schon nach zwei Wochen Sprachkurs konnte. Ernsthaft, das Wort intensiv impliziert, dass man große Fortschritte innerhalb kurzer Zeit macht. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

Lektion 5: Yabancı mısın?
Ehrlich mal, so eine Frage wäre in Deutschland unter allem Niveau. Hallo, sind Sie Ausländer? Aber man ist hier ja nicht in Deutschland und kennt das Nationalgefühl der Türken ja schon zur Genüge - mehr dazu am 29. Oktober, dem Feiertag der Republik -, darum gewöhnt man sich recht schnell daran, auf diese Frage (die man wirklich sehr häufig zu hören bekommt) nur zu antworten: Ja, ich bin Ausländer. Ist ja auch so. 

Lektion 6: Arkadaşlar, gelecek hafta benle sınıftan sonra üniversiteden yakında çay içmek istiyor musunuz?
Freunde, möchtet ihr nächste Woche nach der Stunde mit mir in der Nähe der Uni einen Chay trinken gehen? Tim musste diese Frage bestimmt dreimal wiederholen, ehe er sich in der Gruppe der Studenten, die nach dem zweimal wöchentlich stattfindenden Türkischkurs an der Yeditepe vor dem Klassenraum standen und sich unterhielten, Gehör verschafft hatten. Ja, möchten wir, kam von allen die einstimmige Antwort, gefolgt von ein paar weiteren Minuten Konversation auf Türkisch. Ich kann diesen unbändigen Stolz nicht so richtig beschreiben, dass ich inzwischen tatsächlich in der Lage bin, ganze - wenn auch simple - Konversationen auf Türkisch zu führen. 

Lektion 7: Sen Türkçe konuşuyor musun?
Du sprichst Türkisch? Jedes Mal, dass ich diese Frage in Begleitung mit einem milde überraschten Gesicht gestellt bekomme, antworte ich inzwischen nur noch lächelnd und mit einem Schwall Sarkasmus: Tabii ki, çok iyi konuşuyorum. Natürlich, sehr gut.

taken two

Bevor ich in den nächsten Tagen meinen Bericht vom Wochenende hochlade, hier und heute zunächst einmal eine etwas belanglosere Sache: ich war gestern im Kino. 
Jaja, wundervoll, spannend, überwältigend, ich weiß ja. 
Warum ich das dennoch hier poste, hat seine Bewandtnis weniger in der Tatsache, dass der Film so gut war - das war er ganz sicher nicht - sondern  viel mehr darin, dass er in der Stadt spielte, in der ich mich gerade aufhalte. 
Taken 2 - oder 96 Hours, wie die Übersetzer ihn merkwürdigerweise genannt haben - ist naheliegenderweise die Fortsetzung von Taken 1. Die Geschichte des ersten Teils ist simpel: Mädchen reist mit Freundin nach Paris, die beiden werden entführt. Vater dreht völlig durch und beginnt eine Gemetzeljagd durch Paris, schafft es, seine Tochter zu retten. Keine sonderlich innovative Geschichte, allerdings fand ich zumindest den Beginn nicht übermäßig schlecht. Zwei allein reisende Mädchen, die mit netten Männern am Flughafen reden und genau auf die falschen stoßen? Ehrlich, so etwas passiert im realen Leben jeden Tag. Und ist wahrscheinlich genau deswegen so explosiv als Beginn für einen Film. Geben wir also Teil 2 mal eine Chance.
Der hat weder eine beeindruckende Story, noch kann er durch die wenig kreativen Kampfszenen und halbherzig heruntergeschriebenen Dialoge überzeugen. Ehrlich, die Hälfte der Zeit war ich nur am Lachen wegen dieser übertriebenen Künstlichkeit. Was dem Film allerdings irgendwie doch einen Sehenswert-Faktor gibt, sind die ganzen Ausschnitte aus Istanbul. 
Der Moment, als Vater und Tochter gemeinsam auf der Fähre nach Asien sitzen - genau da habe ich auch schon unzählige Male gesessen, habe Chay angeboten bekommen, habe den Ausblick auf die Aya Sofia und die Blaue Moschee genossen. Die Blaue Moschee, die Neue Moschee, der Platz vor der Neuen Moschee, Istanbuler Hinterhöfe, das Marktviertel, Istanbuler Dächer, Istanbuler Touristenläden - irgendwie hat all das ja doch seinen Charme, einfach, weil ich all diese Orte inzwischen kenne und dort war und mir auf dem großen Bildschirm mal wieder aufgefallen ist, wie sehr ich Istanbul liebe...
Und ganz ehrlich, eigentlich ist ein traditionelles türkisches Hamam für den Showdown gar keine so schlechte Wahl.


Donnerstag, 11. Oktober 2012

diary of an erasmus student

Dienstag, 09.10.2012

06:12 Uhr
Der Wecker geht an. Ganz Schön Feist erklärt mir, er wäre ein Gänseblümchen. Ich ignoriere ihn.

06:54 Uhr
Ich quäle mich aus dem Bett, was die erste wirklich beeindruckende Leistung des Tages ist. Gehe duschen, ziehe mich an - und stelle fest, dass ich Wäsche waschen muss -, packe meine Sachen und verlasse um kurz nach halb acht das Haus.

07:48 Uhr
 
Ich kaufe bei dem netten Mann am Busbahnhof einen Simit für einen Lira. Mein Frühstück.

08:00 Uhr
Ich steige in den Bus, ziehe meine Busfahrkarte mit Studentenrabatt über das Geraet, dass den wahnwitzigen Betrag eines ganzen Liras abbucht, dann suche ich mir einen Platz im hinteren Teil des Busses, wo ich mit viel Krümeln mein Frühstück verzehre.

09:05 Uhr
Ich erreiche den Klassenraum; Nate, mein amerikanischer Mitstudent, ist schon da und begrüsst mich mit den Worten "You look exhausted." Was für ein nettes Kompliment!
Er umarmt mich zur Begrüßung, während ich erkläre: "I AM exhausted."
"So, how was your weekend?", fragt er, und ich drücke mich an ihm vorbei, um auf dem Stuhl neben seinem Platz zu nehmen.
"Exhausting?", biete ich als Erklärung an. Er lacht.

09:20 Uhr
Unsere Lehrerin erreicht den Klassenraum - nicht, wie ich dachte, mit zwanzig Minuten Verspätung, sondern in der Tat zehn Minuten zu früh (ich hatte mir einfach den Beginn des Unterrichts falsch gemerkt) - und mit ihr einige unserer türkischen Kommilitonen, von denen einer uns noch vor Beginn der Stunde bei Facebook zur Gruppe des Kurses hinzufügt. Man muss sich ja immer sozialisieren.

09:36 Uhr
Der Unterricht beginnt. Wir hören die erste Präsentation der anstehenden Midterm-Assignments (zu denen ich an anderer Stelle einen einzelnen Eintrag veröffentlichen werde). Es ist langweilig.

10:53 Uhr
Die Stunde ist beendet, ich gehe mit Nate, einem Deutschen und einem Österreicher zum "Pilav-Mann", einem Reis-Schnellrestaurant, das sich vor den Toren des Campus befindet und das eeeeeiiigentlich "Pilav Dünyası" heißt. Die Muskeln in meinen Beinen protestieren beim Erklimmen des Hügels zum Eingang des Campus, das ganze Schleichen und Huschen beim Paintball am Sonntag fanden die irgendwie nicht so angenehm. Das Essen in diesem unserem Stammlokal ist fantastisch und verhältnismäßig günstig, die Unterhaltung beim Essen verhalten, aber angenehm. Wir reden über den Wochenend-Trip nach Kappadokien, der am Donnerstag beginnen wird.

12:06 Uhr
Ich erreiche den Klassenraum für Advertising Photography und unterhalte mich ein bisschen mit Charlotte und Luisa aus Österreich und Holland, ehe der Unterricht beginnt. Advertising Photography ist mein Lieblingskurs in diesem Semester, auch wenn ich am Liebsten neben all den realitätsnahen Praxisbeispielen ein paar abstrakte, wissenschaftliche Texte lesen würde. Werbefotografie ohne theoretischen Hintergrund zu erlernen hat meiner Ansicht nach wenig Sinn, aber vielleicht bin ich auch einfach nur vorgeschädigt. Am Ende der dreistündigen Sitzung bekommen wir die Aufgabe, mithilfe von externen Blitzgeräten verschiedene Variationen auszuprobieren. Da ich keines besitze, rede ich nach der Stunde mit dem Lehrer und frage, ob es möglich wäre, so etwas von der Uni auszuleihen. Nach einigem Hin und Her verspricht er, mich am selben Abend am Bullen in Kadiköy zu treffen und mir sein eigenes, privates Blitzgerät auszuleihen. 

15:17 Uhr
Ich trete in den kleinen, mit vier Mac-Computern ausgestatteten Arbeitsraum, der den Studenten in meiner Fakultät zur Verfügung steht. Einer meiner Kommilitonen vom Mittagessen ist bereits da und schneidet ein Video eines seiner Kurztrips zusammen. Ich setze mich an einen der Rechner und tippe ein paar Zeilen für das Zwei-Monate-Fazit (das sehr verspätet irgendwann bald mal kommt), verzweifle allerdings an der Tastatur. 

16:08 Uhr 
Auch die dritte Sitzung an diesem Tag erreiche ich verspätet. Türkisch. Die Klasse hat gerade begonnen, die Hausaufgaben zu vergleichen, als ich leise in den Raum schlüpfe und mich auf einen der freien Plätze setze. Ich war ja den ganzen Tag über relativ müde, aber jetzt ist es besonders schlimm. Wir lernen, wie man ausdrückt oder fragt, dass oder ob man etwas kann, und ich muss mich anstrengen, nicht einzuschlafen, sondern aufmerksam zu bleiben. Schweres Studentenleben.

17:47 Uhr
Ich stehe endlich am Bus auf dem Weg nach Hause. Die anderen Türkischlerner gehen noch gemeinsam Tee trinken, aber erstens bin ich um Sieben mit meinem Werbefotografielehrer in Kadiköy verabredet, zweitens beginnt um 18 Uhr im Hush Hostel eine Grillparty, die ich eigentlich gern besuchen möchte, darum verschiebe ich das Kontakteknüpfen hier auf nächste Woche. 

18:55 Uhr
Ich erreiche meine Wohnung, schreibe Christiaan, dass ich später zur Grillparty kommen werde, rufe meinen Lehrer an. Christiaan schreibt, er würde gerade kochen und somit nicht grillen, ich könne rüberkommen, wenn ich wollte, es wäre genügend zu Essen da. Mein Lehrer sagt, er bräuchte noch mindestens eine weitere halbe Stunde. Ich packe meine Wäsche in die Waschmaschine. 

19:10 Uhr
Ich verlasse die Wohnung. 

19:35 Uhr
Mein Lehrer ruft mich zurück, er wäre jetzt zu Hause und würde sich auf den Weg machen. Ich beende mein Mahl zügig, dann mache auch ich mich wieder auf den Weg.

19:57
Ich treffe meinen Lehrer an der Bullenstatue im Zentrum von Kadiköy. Er zeigt und erklärt mir sein Blitzgerät im Schnelldurchlauf, dann überreicht er es mir. Überschwänglich dankend verabschiede ich mich und mache mich auf den Weg nach Hause, um es sicher zu verstauen.

20:32
Christiaan und ich kommen im Hush Hostel an. Die vertraute Umgebung des Gebäudes erfüllt uns beinahe mit so etwas wie Melancholie, all die "neuen" Gäste im Hostel geben uns das Gefühl, einer alten Generation anzugehören.  Wie lange ist es schon her, seit wir in diesem Haus übernachtet haben!  Gerade einen Monat, aber nun ja. Hannah, Nienke, Vicky und ein paar andere unserer Freunde aus Istanbul sind bereits da, in den nächsten Stunden kommen noch ein paar weitere hinzu. Die Stimmung ist angenehm, die Menschen wie immer nett und ich kann mir sogar ein wenig Salat schnorren.

21:46
Die Gartenparty ist vorbei und wir werden von den Mitarbeitern des Hostels beinahe wie in einer Art Schafherde durch das Zentrum von Kadiköy zum "neuen" Hush Hostel gescheucht, das vor ein paar Tagen eröffnet hat und über eine wundervolle Dachterrasse verfügt. Dort sitzen wir noch ein wenig und unterhalten uns, ehe die Vernunft uns einholt und ich mich auf den Weg in Richtung Bett mache. 

00:04 Uhr 
Ich bin zu Hause und starte noch einmal den Computer, um zu schauen, was es im Internet so Neues gibt. Eigentlich muss ich in sechs einhalb Stunden wieder aufstehen, aber manche Dinge müssen eben sein. Ich chatte noch ein wenig mit Lena, dann werde ich von Onur, einem türkischen Kommilitonen, angeschrieben und betreibe ein wenig Smalltalk, ehe ich mich von Facebook und der Welt verabschiede und innerhalb kürzester Zeit meinem wohlverdienten Schlaf entgegendöse.