Donnerstag, 11. Oktober 2012

diary of an erasmus student

Dienstag, 09.10.2012

06:12 Uhr
Der Wecker geht an. Ganz Schön Feist erklärt mir, er wäre ein Gänseblümchen. Ich ignoriere ihn.

06:54 Uhr
Ich quäle mich aus dem Bett, was die erste wirklich beeindruckende Leistung des Tages ist. Gehe duschen, ziehe mich an - und stelle fest, dass ich Wäsche waschen muss -, packe meine Sachen und verlasse um kurz nach halb acht das Haus.

07:48 Uhr
 
Ich kaufe bei dem netten Mann am Busbahnhof einen Simit für einen Lira. Mein Frühstück.

08:00 Uhr
Ich steige in den Bus, ziehe meine Busfahrkarte mit Studentenrabatt über das Geraet, dass den wahnwitzigen Betrag eines ganzen Liras abbucht, dann suche ich mir einen Platz im hinteren Teil des Busses, wo ich mit viel Krümeln mein Frühstück verzehre.

09:05 Uhr
Ich erreiche den Klassenraum; Nate, mein amerikanischer Mitstudent, ist schon da und begrüsst mich mit den Worten "You look exhausted." Was für ein nettes Kompliment!
Er umarmt mich zur Begrüßung, während ich erkläre: "I AM exhausted."
"So, how was your weekend?", fragt er, und ich drücke mich an ihm vorbei, um auf dem Stuhl neben seinem Platz zu nehmen.
"Exhausting?", biete ich als Erklärung an. Er lacht.

09:20 Uhr
Unsere Lehrerin erreicht den Klassenraum - nicht, wie ich dachte, mit zwanzig Minuten Verspätung, sondern in der Tat zehn Minuten zu früh (ich hatte mir einfach den Beginn des Unterrichts falsch gemerkt) - und mit ihr einige unserer türkischen Kommilitonen, von denen einer uns noch vor Beginn der Stunde bei Facebook zur Gruppe des Kurses hinzufügt. Man muss sich ja immer sozialisieren.

09:36 Uhr
Der Unterricht beginnt. Wir hören die erste Präsentation der anstehenden Midterm-Assignments (zu denen ich an anderer Stelle einen einzelnen Eintrag veröffentlichen werde). Es ist langweilig.

10:53 Uhr
Die Stunde ist beendet, ich gehe mit Nate, einem Deutschen und einem Österreicher zum "Pilav-Mann", einem Reis-Schnellrestaurant, das sich vor den Toren des Campus befindet und das eeeeeiiigentlich "Pilav Dünyası" heißt. Die Muskeln in meinen Beinen protestieren beim Erklimmen des Hügels zum Eingang des Campus, das ganze Schleichen und Huschen beim Paintball am Sonntag fanden die irgendwie nicht so angenehm. Das Essen in diesem unserem Stammlokal ist fantastisch und verhältnismäßig günstig, die Unterhaltung beim Essen verhalten, aber angenehm. Wir reden über den Wochenend-Trip nach Kappadokien, der am Donnerstag beginnen wird.

12:06 Uhr
Ich erreiche den Klassenraum für Advertising Photography und unterhalte mich ein bisschen mit Charlotte und Luisa aus Österreich und Holland, ehe der Unterricht beginnt. Advertising Photography ist mein Lieblingskurs in diesem Semester, auch wenn ich am Liebsten neben all den realitätsnahen Praxisbeispielen ein paar abstrakte, wissenschaftliche Texte lesen würde. Werbefotografie ohne theoretischen Hintergrund zu erlernen hat meiner Ansicht nach wenig Sinn, aber vielleicht bin ich auch einfach nur vorgeschädigt. Am Ende der dreistündigen Sitzung bekommen wir die Aufgabe, mithilfe von externen Blitzgeräten verschiedene Variationen auszuprobieren. Da ich keines besitze, rede ich nach der Stunde mit dem Lehrer und frage, ob es möglich wäre, so etwas von der Uni auszuleihen. Nach einigem Hin und Her verspricht er, mich am selben Abend am Bullen in Kadiköy zu treffen und mir sein eigenes, privates Blitzgerät auszuleihen. 

15:17 Uhr
Ich trete in den kleinen, mit vier Mac-Computern ausgestatteten Arbeitsraum, der den Studenten in meiner Fakultät zur Verfügung steht. Einer meiner Kommilitonen vom Mittagessen ist bereits da und schneidet ein Video eines seiner Kurztrips zusammen. Ich setze mich an einen der Rechner und tippe ein paar Zeilen für das Zwei-Monate-Fazit (das sehr verspätet irgendwann bald mal kommt), verzweifle allerdings an der Tastatur. 

16:08 Uhr 
Auch die dritte Sitzung an diesem Tag erreiche ich verspätet. Türkisch. Die Klasse hat gerade begonnen, die Hausaufgaben zu vergleichen, als ich leise in den Raum schlüpfe und mich auf einen der freien Plätze setze. Ich war ja den ganzen Tag über relativ müde, aber jetzt ist es besonders schlimm. Wir lernen, wie man ausdrückt oder fragt, dass oder ob man etwas kann, und ich muss mich anstrengen, nicht einzuschlafen, sondern aufmerksam zu bleiben. Schweres Studentenleben.

17:47 Uhr
Ich stehe endlich am Bus auf dem Weg nach Hause. Die anderen Türkischlerner gehen noch gemeinsam Tee trinken, aber erstens bin ich um Sieben mit meinem Werbefotografielehrer in Kadiköy verabredet, zweitens beginnt um 18 Uhr im Hush Hostel eine Grillparty, die ich eigentlich gern besuchen möchte, darum verschiebe ich das Kontakteknüpfen hier auf nächste Woche. 

18:55 Uhr
Ich erreiche meine Wohnung, schreibe Christiaan, dass ich später zur Grillparty kommen werde, rufe meinen Lehrer an. Christiaan schreibt, er würde gerade kochen und somit nicht grillen, ich könne rüberkommen, wenn ich wollte, es wäre genügend zu Essen da. Mein Lehrer sagt, er bräuchte noch mindestens eine weitere halbe Stunde. Ich packe meine Wäsche in die Waschmaschine. 

19:10 Uhr
Ich verlasse die Wohnung. 

19:35 Uhr
Mein Lehrer ruft mich zurück, er wäre jetzt zu Hause und würde sich auf den Weg machen. Ich beende mein Mahl zügig, dann mache auch ich mich wieder auf den Weg.

19:57
Ich treffe meinen Lehrer an der Bullenstatue im Zentrum von Kadiköy. Er zeigt und erklärt mir sein Blitzgerät im Schnelldurchlauf, dann überreicht er es mir. Überschwänglich dankend verabschiede ich mich und mache mich auf den Weg nach Hause, um es sicher zu verstauen.

20:32
Christiaan und ich kommen im Hush Hostel an. Die vertraute Umgebung des Gebäudes erfüllt uns beinahe mit so etwas wie Melancholie, all die "neuen" Gäste im Hostel geben uns das Gefühl, einer alten Generation anzugehören.  Wie lange ist es schon her, seit wir in diesem Haus übernachtet haben!  Gerade einen Monat, aber nun ja. Hannah, Nienke, Vicky und ein paar andere unserer Freunde aus Istanbul sind bereits da, in den nächsten Stunden kommen noch ein paar weitere hinzu. Die Stimmung ist angenehm, die Menschen wie immer nett und ich kann mir sogar ein wenig Salat schnorren.

21:46
Die Gartenparty ist vorbei und wir werden von den Mitarbeitern des Hostels beinahe wie in einer Art Schafherde durch das Zentrum von Kadiköy zum "neuen" Hush Hostel gescheucht, das vor ein paar Tagen eröffnet hat und über eine wundervolle Dachterrasse verfügt. Dort sitzen wir noch ein wenig und unterhalten uns, ehe die Vernunft uns einholt und ich mich auf den Weg in Richtung Bett mache. 

00:04 Uhr 
Ich bin zu Hause und starte noch einmal den Computer, um zu schauen, was es im Internet so Neues gibt. Eigentlich muss ich in sechs einhalb Stunden wieder aufstehen, aber manche Dinge müssen eben sein. Ich chatte noch ein wenig mit Lena, dann werde ich von Onur, einem türkischen Kommilitonen, angeschrieben und betreibe ein wenig Smalltalk, ehe ich mich von Facebook und der Welt verabschiede und innerhalb kürzester Zeit meinem wohlverdienten Schlaf entgegendöse.

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