Die Luft, die mir entgegenschlägt, als ich aus dem
Flieger steige, lässt mich beinahe wieder einen Schritt rückwärts machen und in
das Flugzeug zurückgehen, so drückend warm ist sie. Das Geländer der Treppe
verbrennt mir die Finger, es ist schwarz und hat sich innerhalb kürzester Zeit zu
unerträglichen Temperaturen aufgeheizt. Der Boden unter dem Flugzeug ist
irgendein betonartiges verblichenes Material, das Gras, das am Rande der
Landebahn wächst, vertrocknet. Die Hitze ist so überwältigend, dass ich sofort
eine unangenehme Trägheit verspüre, zusätzlich zu der sowieso schon
entnervenden Müdigkeit. Kein Wunder, es ist ja auch Mittagszeit in Antalya.
Antalya. Ich bin da. Ich bin in der Türkei.
Wie in Trance steige ich die Treppe hinab und
laufe mit den anderen Reisenden geradewegs auf den Bus zu, der mich zum
Flughafengebäude bringt. Dort stelle ich mich an, um meinen Stempel in den
Reisepass zu bekommen, dann hole ich meine Koffer, tausche Geld, verlasse das
Gebäude. Stehe ratlos in der Gegend rum, weil ich nicht weiß, was ich jetzt tun
soll, wie ich am besten in die Stadt komme. Die Reiseagenturen finden ihre
Kunden für den Abtransport ins Hotel, ich stehe nur da und laufe unschlüssig
von einer Seite der Gebäudefront zur anderen. Ein Mitarbeiter einer der
Reiseagenturen spricht mich schließlich an.
Ich schüttele den Kopf. „No.“
„You can’t find your agency?“
Ein
verwirrter Blick. „Are you waiting for someone private?“
Wieder
Kopfschütteln.
“Where
do you want to go?”
“To
the city center of Antalya.”
Er versteht und zeigt mir, wo der Bus abfährt, der
mich in die Stadt bringt.
Zehn Minuten später sitze ich in einem überfüllten
„Otobus“ der Linie 600 und bin auf dem Weg nach – ja, das weiß ich auch nicht
so genau. Ich habe 3,50 türkische Lira für die Busfahrt gezahlt, was in etwa
1,75€ entspricht, weiß aber gar nicht, wo ich aussteigen muss, um zu meinem
Hostel zu kommen. Es gibt keine Anzeigetafel für Haltestellen, und selbst wenn
es sie gäbe, würde mir das nichts bringen. Ich zwinge mich jedoch zur Ruhe und
studiere abwechselnd meine Karten und das Bild der Stadt, das sich vor den
Fenstern des Gefährts entfaltet. Antalya ist eine dieser Großstädte, die nicht
den Anschein erwecken, groß zu sein, wenn man dort ist, auch wenn sie über eine
Million Einwohner beherbergt. Es gibt Gegenden mit nicht sonderlich schönen
Plattenbau-Wohnhäusern, die sich zehn bis fünfzehn Stockwerke in die Höhe
schrauben, aber im Großen und Ganzen hat man nie dieses beklemmende Gefühl, von
vielen Menschen umgeben zu sein. Aus dem ruhigen Vorstadtflair kommen wir
allmählich in belebtere Gegenden, in denen sich Läden einander reihen. Marken,
die man aus Deutschland kennt, mischen sich mit unbekannten Geschäften. Ich bin
offensichtlich im Zentrum angekommen – kann mich jedoch nicht dazu durchringen,
aufzustehen und auszusteigen, weil ich einerseits keinen der Straßennamen auf
meiner Karte finden kann, andererseits, weil meine Koffer erfolgreich unter
denen der anderen Mitbusfahrer begraben sind. Irgendwann entdecke ich jedoch in
der Ferne den Schriftzug der „Akdeniz Üniversitesi“ – und weiß, dass ich zu
weit gefahren bin, denn die Universität liegt auf der anderen Seite der Bucht,
um die sich die Stadt schmiegt.
Ich kämpfe mich also aus dem Bus heraus – unter Mithilfe
eines freundlichen Mitfahrers, der mir
den Koffer auf die Straße stellt – und stehe jetzt mitten in der Pampa. Der
Kampf mit den Koffern hat zwei Haltestellen lang gedauert, die Universität ist
also in weiter Ferne. Ich stehe mitten in Antalya’scher Pampa und kann nicht
einmal mehr die Bushaltestelle entdecken, an der ich ausgestiegen bin. Ich sehe
mich um. Eine der vielen Fußgängerüberführungen, wie es sie bei Lenas
Haltestelle in Jena gibt, spannt sich über die Straße. Ansonsten nichts, bis
auf Autos. Ich entdecke ein Taxi und steuere kurz entschlossen darauf zu, und
der Rest ist eigentlich Geschichte.
Der Fahrer bringt mich für umgerechnet
nicht einmal acht Euro noch einmal quer durch die Stadt, und ich checke in mein
kleines, aber feines Doppelzimmer ein. Meine Zimmergenossin ist noch nicht da, natürlich
nicht, sie ist im Sprachkurs, der heute eigentlich begonnen hat und den ich
verspätet beginnen werde. Ich lege mich schlafen, denn die Müdigkeit hat mich
schon im Bus vom Flughafen mehrmals fast wegnicken lassen. Meine Mitbewohnerin kommt, als
ich wieder erwache. Wir reden ein bisschen, laufen dann ein, zwei Stündchen
gemeinsam durch die Altstadt, in der das Hostel liegt. Wenn man von meinem
momentanen Sitzplatz aus fünf Minuten lang geht, dann steht man direkt über dem
Mittelmeer. Strände gibt es in Antalyas Zentrum wegen der felsigen Küste keine,
aber das macht nichts, denn dieser Ausblick…
Und während ich hier vor dem Laptop sitze und mir
überlege, wie ich diesen Eintrag am besten beenden könnte, da wird mir erst so
richtig bewusst: meine Güte, ein halbes Jahr. Sechs Monate.
Was für eine wundervolle Entscheidung.
Das permanente Aktualisieren deines Blogs hat sich gelohnt, ein Lebenszeichen, ein ganz wundervolles. Ich hoffe du gewöhnst dich an die Hitze und wünsche dir weiterhin ganz viele von diesen wunderbaren ersten Eindrücken.
AntwortenLöschenWow, bist du ein verplantes Huhn! Genieße diese sechs Monate, die werden sicher schneller vorbei sein, als dir lieb ist! :D
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