Mittwoch, 8. August 2012

wie mich mein lehrer zum tee einlud

Ein Klick auf die Fotos und sie werden groß! 

Das Plätschern des Springbrunnens ist eine stetige, gleichmäßige Untermalung sämtlicher anderer Geräusche. Nicht, dass es ansonsten sonderlich viele Geräusche gäbe – es ist ziemlich still in diesem Teegarten, diesem Ort des Rückzugs. Ich lasse meinen Blick über die vielen Sitzbänke schweifen, die gepflegten Beete, die riesigen Pinienbäume. Hin und wieder kommt ein leichter Windzug um die Ecke, der die warme Luft ein bisschen abkühlt. Hinter der Felsformation, in die der Springbrunnen eingebaut ist, befindet sich ein Aussichtspunkt, von dem aus man ganz Antalya überblicken kann. Bei dem immer klaren Himmel ist der Anblick einfach atemberaubend, wir befinden uns weit über und ein kleines Stück außerhalb der Stadt. Dieser Ort ist abgelegen, ruhig, friedvoll und, was am besten ist – frei von jeglichen Touristen.
„Claudia“, sagt Ümit mit seiner typischen türkischen Intonation und reißt mich so aus meinen Gedanken, „Claudia Schiffer.“
Ich lache unbeholfen, weil ich nicht weiß, wie ich darauf reagieren soll. Es ist ja schön, dass er das Model kennt und mit Deutschland und meinem Namen assoziiert, aber was genau hat das mit mir zu tun? Also schlürfe ich meinen türkischen Tee – Çay – und sage einfach gar nichts. Das Gespräch wechselt gemeinsam mit meiner Zimmergenossin und ständigen Begleiterin Annika zwischen verschiedenen Themen hin und her, wir reden über Politik und den Ausflug am Samstag, über diesen Ort, über türkische und deutsche Kultur, über die türkische Sprache. Letzteres ist überhaupt erst der Grund, warum ich hier bin. Denn Ümit ist nicht irgendeiner der vielen Türken, die ich in den letzten anderthalb Tagen kennen gelernt habe. Er ist mein Lehrer.
Und für jeden Deutschen, der sich darüber wundert, dass ich mit Annika und meinem Türkischlehrer am zweiten Tag nach dem Unterricht bis vor die Grenzen der Stadt gefahren bin, um mit den beiden traditionellen türkischen Tee zu trinken: ich bin mindestens genauso erstaunt. Eigentlich wollte ich nämlich nur eine Kopie eines Formulars, das ich ausfüllen muss, um meine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Dafür mussten Annika und ich mit in Ümits (dass die Lehrer und/oder Dozenten beim Vornamen genannt werden, ist in der Türkei soweit ich weiß üblich) Büro kommen, wo wir den Regeln des Smalltalks gerecht wurden und ein bisschen mit ihm plauderten – und mit einem Mal lud er uns auf eine Tasse türkischen Tee ein. Dass aus einer Tasse schlussendlich zwei wurden und da noch eine Shisha und ein mehrstündiges Gespräch über  die verschiedensten Themen hinzukommen, ist eine andere Geschichte. Wir willigten ein, beide ein wenig überrumpelt und misstrauisch, aber da wir zu zweit waren, nicht wirklich ängstlich. Und hier sitze ich nun unter dem Sonnenschirm und nehme ein paar Züge der Shisha, genieße die Ruhe und fühle mich wohl.
Ümit zeigt uns grammatische Details, die wir in der heutigen Sitzung noch nicht hatten. Er erklärt uns, wie man gewisse Formen anwendet und übt immer wieder die Verlaufsform des Verbs, die wir heute gelernt haben. Es macht Spaß.
Also, wie ist mein Fazit nach den ersten zwei Tagen Türkischkurs?
Anstrengend, fällt mir zuerst ein.
Lehrreich, füge ich mental sogleich hinzu.
Die Lehrer wechseln jeden Tag, um gegenseitig ihre Schwächen auszubügeln, und Ümit ist so etwas wie der „big boss“, der (Mit-)Organisator des EILC-Sprachkurses und der Lehrer, der zwischen allen Klassen hin und her springt. Die ersten sieben Stunden, zumindest schätze ich es so lang ein, waren angefüllt von Übungen, in denen wir uns einander vorzustellen lernten und die ersten tiefsinnigen Konversationen führen durften.
Schema F:
„Hallo.“
„Hallo.“
„Wie heißt du?“
„Ich heiße Claudia. Und wie heißt du?“
„Ich heiße (xyz).“
„Schön, dich kennen zu lernen.“
„Ebenfalls schön, dich kennen zu lernen. Wie geht es dir?“
„Danke sehr, mir geht es gut. Und wie geht es dir?“
„Danke sehr, mir geht es auch gut.“
„Woher kommst du?“
„Aus (xyz). Und woher kommst du?“
…Ich denke, ihr versteht, was ich meine.
Die anderen Türkischlerner kommen aus ganz Europa, allerdings ist Deutschland mit Abstand am Stärksten vertreten, ein gefühltes Drittel der Teilnehmer kommt aus meinem Heimatland. Außerdem gibt es Briten, Polen, Österreicher, Italiener, Rumäninnen, Spanier, ... Der Haufen ist wirklich gut durchgemischt, wenn man mal von der Überbevölkerung durch Bratwurstesser absieht.
Die Organisation an der türkischen Uni ist allerdings ein bisschen unausgereift, um nett zu sein. Es gibt einen Stundenplan, aber niemand hält sich daran. Es gibt einen Zeitpunkt für Treffen, aber im Grunde kann man da gern zehn Minuten hinzurechnen. Es gibt die Aussage des einen Organisators – und dann kommt ein anderer daher und wirft alles über den Haufen.
Aber all dies sind keine Dinge, die mich dazu bringen könnten, mich unwohl zu fühlen. Die Menschen sind nett, das Essen lecker, das Wetter wundervoll und das Land schön. Und die Sprache sowieso. Gestern Nachmittag habe ich das erste Mal im Mittelmeer gebadet. Lektion des Tages: Mund zu, im Mittelmeer ist das Wasser salzig. Aber das ist eine andere Geschichte. 

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